Hammerstein, Katrin; Scheunemann, Jan (Hrsg):Die Musealisierung der DDR. Wege, Möglichkeiten und Grenzen der Darstellung von Zeitgeschichte in stadt- und regionalgeschichtlichen Museen
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Carola S. Rudnick, Facts & Arts, Betzendorf/Lüneburg
E-Mail: <c-rudnick@t-online.de>
Hier wird mehr als nur eine Tagung dokumentiert. Der mit einer gewissen Verzögerung veröffentlichte Band wirkt selbst wie ein seltenes Museumsobjekt, das die Debatte um eine angemessene Darstellung und Vermittlung von DDR-Geschichte in sich eingefroren hat und für spätere Zeiten zur Analyse freigibt. Die Leserinnen und Leser können eine von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur geförderte und mit dem Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig im Juni 2010 durchgeführte Veranstaltung nachvollziehen, die primär als „Werkstattbericht“ vorführt, was in verschiedenen städtischen und regionalgeschichtlichen Einrichtungen facettenreich und nicht immer frei von massiven Problemen geschieht. Katrin Hammerstein und Jan Scheunemann als Herausgeber verdeutlichen, dass Museen vor ähnlichen Vermittlungsproblemen stehen wie DDR-Gedenkstätten. Auch dort wird um ein angemessenes Erinnern und Gedenken gerungen, um Geschichtsbilder und Interpretationen von deutschen Diktaturen. Und: Museen folgen der historisch-politischen Bildungsarbeit in Bezug auf Standards, auf diskursive und reflektierende (Re-)Präsentationsmethoden und auf erinnerungskulturelle Praxen. Man bekennt sich offen zu eigenen geschichtspolitischen Positionen, zu Nöten und Zwängen. Erkennbar wird: Museen und Gedenkstätten nähern sich an.
Martin Sabrow analysiert in seinem Eröffnungsbeitrag präzise das Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Erklärung, didaktischer Vermittlung und biografischer Erfahrung, in dem sich zeithistorische Museumsarbeit bewege (S. 16f.). In diesem Spannungsfeld spricht er sich gegen normative Bewertungen und für eine Historisierung bzw. politische Entdogmatisierung aus (S. 22ff.). Für die Museumsarbeit leitet er daraus das Plädoyer ab, die unterschiedlichen Narrative und den jeweiligen Zeithorizont historischen Geschehens mit zu reflektieren und Räume für einen kritischen Dialog zu schaffen (Diskussionsteil, S. 38f.).
Damit positioniert er sich gegen Rainer Eckert, den Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig, der gegenteilige Prämissen verfolgt (in der dokumentierten Diskussion mit Bernd Faulenbach und Karl Heinrich Pohl) – nämlich das (Fest-)Setzen von Begriffen wie „Friedliche Revolution“, das Ablehnen von Multiperspektivität, das Produzieren geschlossener Geschichtsnarrative. Das Zeitgeschichtliche Forum erzählt laut Eckert die DDR-Geschichte aus der Perspektive der Opposition und des Widerstands, mit dem Ziel, demokratische Identität zu stiften. Schließlich löst auch Eckerts Auffassung, die Aufgabe des Museums sei es, eine historische Großerzählung, einen Mythos durchzusetzen, herbe Kritik und Gegenrede aus. Dies findet nicht nur durch wichtige Podiumsbeiträge Eingang in die Dokumentation, sondern auch anhand alternativer Fallbeispiele.
So stellt Pohl den Auffassungen Eckerts ein studentisches kommunales Museumsprojekt im Dorf Sehestedt (Schleswig-Holstein) gegenüber, das geschichtsdidaktisch dezidiert „von unten“ konzipiert sei, die Dorfbewohner einbeziehe sowie Kontroversität und Ergebnisoffenheit, Gegenwartsbezug, Handlungs- und Empfängerorientierung, Individualisierung und Multiperspektivität zum Prinzip erhebe. Das Museum hat zwar keine DDR-Geschichte als Gegenstand, zeigt jedoch die vielfältigen Möglichkeiten kleinerer, ländlicher Einrichtungen auf.
Irmgard Zündorf unterstreicht in ihrem Beitrag über „DDR-Alltagskultur im Museum“, dass eine alleinige Fokussierung auf „Herrschaft“ und „Repression“ nicht zum tieferen Verständnis des Funktionierens der Diktatur führe, sondern dass gerade die Alltagsgeschichte wichtige Erkenntnisse über gesellschaftliche und individuelle Mechanismen offenbare. Die Thematisierung von „Mitmachbereitschaft“ und „Anpassungsdruck“ sei für historisches Lernen fruchtbar. Weder die öffentlich geförderten noch insbesondere die privaten Museen würden dieses Potenzial bislang aber ausschöpfen. Die Autorin moniert einen Beliebigkeit erzeugenden Objektfetischismus sowie einen Hang zur „ins Lächerliche“ umschlagenden Inszenierung ohne Erkenntnisgewinn (S. 107). Die Herausforderungen, die Alltagsgeschichte im Museum mit sich bringe, hätten noch keine hinreichenden Antworten gefunden (S. 105). In der anschließenden Diskussion wird noch einmal hervorgehoben, dass Alltagsobjekte auf geschichtswissenschaftliche Einbettung besonders angewiesen sind.
Nicht minder kritisch berichtet Karl-Siegbert Rehberg über die Verbannung von DDR-Kunst aus Museen und Galerien. Bei Präsentationen über Kunst des 20. Jahrhunderts oder deutsche Kunst nach 1945 würden DDR-Künstler weitgehend ignoriert; die Ausnahme seien nur solche Künstler, die schon vor 1989 über den Westen internationalen Ruhm erlangt hätten. Im Westen weniger prominente DDR-Künstler seien zusammen mit der politischen „Elite“ entsorgt bzw. ihre Werke als „Staatspropaganda“ marginalisiert worden. Hierzu hätten Akteure in den neuen Bundesländern selbst viel beigetragen, ergänzt Monika Flacke vom Deutschen Historischen Museum die Kritik am Kunst-Vergessen und am „sanften Entschwinden“ (Diskussion, S. 293). Von einem angemessenen Umgang mit „Kunst aus der DDR“ sei die (deutsche) Museumswelt weit entfernt, lässt sich die Debatte zusammenfassen. weiterlesen